ERP und Systemlandschaft im Mittelstand:
So hilft die IT beim großen Wurf
Kennen Sie auch diese Meetings, die großen Elefantenrunden, in denen gewichtige Argumente ausgetauscht werden? Die nach langen Stunden so enden, dass alle bis dahin gemachte Pläne dahin sind und das Projekt für Monate zurückgeworfen scheint? Nach denen man das Gefühl hat, mit voller Kraft gegen die Wand gefahren zu sein?
Solche Runden gibt es nicht nur in der Politik.
Wer mit der Auswahl, Einführung und Weiterentwicklung von Unternehmenssoftware zu tun hat, der kann diese Erfahrung fast nicht vermeiden: Man versucht den großen Wurf und lernt schon beim Anlaufnehmen, dass doch nur Trippelschritte möglich sind.
Dabei wären substanzielle Maßnahmen gefragt. Auf die konnte man sich aber nicht einigen. Weil unter Geschäftsführung, den Fachbereichsvertretern und der IT zu wenig Entschlossenheit herrscht.
Was bedeuten Trippelschritte für die Systemlandschaft?
Alles bleibt beim Alten. Statt die Prozesse als Ganzes zu denken, und die Systemlandschaft gesamtheitlich neu aufzusetzen, werden doch wieder nur neue Reports, kleine Spezialtools oder Sonderlocken in die alten Systeme eingearbeitet. Das sind Trippelschritte. Sie kommen daher, dass immer nur die kleinen Probleme angegangen werden, um möglichst direkt weiter arbeiten zu können.
Mit jeder dieser kleinen Optimierungen wird die Landschaft noch zerklüfteter, die Schnittstellen komplexer, und die Abhängigkeit von alten Technologien nimmt zu. Die Folge: Datensicherheit entwickelt sich schleichend zum ernsthaften Risiko. Allein schon, weil der Support alter Tools ausläuft, dabei ein Update aber nicht möglich ist, oder weil Excel-Datenbanken per se viel zu fragile Konstrukte sind.
Dem kleinen Ergebnis folgt die große Frage:
Ist das euer ernst?
Für die IT kann das ganz schön frustrierend sein, wenn sie ihren Fachbereichen die bestmögliche Unterstützung bieten will. Auf dem Markt bieten sich nahezu täglich neue technologische Möglichkeiten. Was man damit alles anstellen könnte! Nur: Wer will sie nutzen? Die meisten Fachbereiche sind doch schon froh, wenn sie ihre für sich selbst optimierten Prozesse am Laufen halten. Wer mit der stumpfen Axt im Wald steht, der hat nunmal keine Zeit um übers Schärfen nachzudenken!
Und wenn doch, dann ist auch ihnen das Hemd näher als die Hose: Die Daten der anderen Fachbereiche sind ihnen zwar wichtig, aber nicht so sehr wie die eigenen. Also haben sie es lieber, wenn sie die Kontrolle über die für sie notwendige Datenqualität behalten.
Wenn alle so denken: Wie sorgen wir dann dafür, dass wir alle Daten und Prozesse in die Systeme hinein bekommen, anstatt damit die Excels und Spezialtools der Fachbereiche zu füttern? Wenn jeder zwar Daten aus dem System herausholen, aber kaum einer die Daten in das System hineingeben können oder wollen?
Durchgängigkeit ist der Schlüssel zu digitalisierten Prozessen und dafür, mit Daten Geld zu verdienen
Also hilft die IT, wo sie nur kann und hält die Technologie zusammen. Sie behält den Überblick in dem oder über den Flickenteppich. Sie hangelt sich von Problem zu Problem, bis endlich ein großer Sprung ansteht. Zum Beispiel, weil ein großer Kunde spezielle Prozesse verlangt; oder, weil der Einkauf auf neue Weise disponieren möchte; oder, weil die Fertigung an ihr Limit kommt und anders planen muss.
Kommen mehrere dieser Fragestellungen in kurzer Zeit zusammen, dann ist der Punkt erreicht, an dem man über eine neue Systemlandschaft nachdenken muss. Damit ist die Chance für die IT gekommen, um neue technische Rahmenbedingungen zu schaffen.
Jetzt steht die Elefantenrunde an. Wie vermeiden wir, dass die großen Pläne darin plattgetreten werden? Großprojekte sind immer besondere Risiken. Sie werden komplex, ziehen sich in die Länge, und ihre Wirkung ist ungewiss. Für solch ein Projekt ist Entschlossenheit gefragt, denn: wer will schon seinen eigenen Berliner Flughafen riskieren?
So helfen Sie der Elefantenrunde dabei, über ihren Schatten zu springen
Sehen wir uns die typischen Entscheidungsregeln in großen Gruppen an; jede Regel für sich ist den meisten klar und nachvollziehbar. Im Zusammenspiel entfalten sie jedoch eine ungemein bremsende Wirkung.
Denn Technologie ist kein Selbstzweck
Mit ihr wollen wir Geld verdienen oder Kosten sparen. Je klarer dieser Zusammenhang erkennbar ist, desto leichter ist es, eine Entscheidung voranzubringen. Wenn der Zweck aber vor allem darin liegt, weniger Probleme zu haben, dann muss erst Schlimmeres drohen, bevor Bewegung entsteht.
Hinzu kommt: Zeit ist Geld
Je schneller eine Investition zur Wirkung kommt, desto besser. Wenn die Umsetzung zu lange dauert, laufen wir Gefahr, dass sich Prioritäten verändern, oder dass ein Projekt versandet. Deshalb backen alle lieber kleinere Brötchen. Natürlich beginnt auch ein langer Weg mit einzelnen, kleinen Schritten. Ohne Ziel kommt man aber trotzdem nicht an.
Möglichst wenige Abhängigkeiten erzeugen
Je mehr Abhängigkeiten bei einem Projekt bestehen, desto mehr Abstimmung ist erforderlich. Viel Abstimmung bedeutet viele Wünsche berücksichtigen zu müssen. Deshalb geht es weit schneller, wenn man ein Projekt aufsetzen kann, das von anderen nicht beeinflusst wird. Das Problem ist aber: Wer Abhängigkeiten meidet, der wird nie das Ganze im Blick behalten.
Außerdem will man nicht mehr Ressourcen bereitstellen, als erforderlich
Klar, denn wer die Ressourcen hat, wird sie auch nutzen. Ganz egal, ob dadurch ein besseres Ergebnis erreicht wird. Ressourcen werden nur für einen klaren Nutzen locker gemacht. Wenn der nur darin liegt, weniger Probleme zu haben, dann liegt es näher, ein kleines Problem mit weniger Aufwand zu lösen.
Apropos Probleme: man löst lieber die, die man hat; nicht die, die man vielleicht haben könnte
Je konkreter und greifbarer eine Herausforderung ist, desto eher findet man Mitstreiter, um sie auch zu meistern. Das kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn viele Ressourcen aufgewendet werden müssen.
Dabei gilt die alte Unternehmerregel: Auf dem aufbauen, was schon da ist
Wer seine vorhandenen Stärken und Ressourcen nutzt, kommt schneller vorwärts. Eine neue Landschaft haben wir noch nicht. Also liegt die Frage nahe: was können wir denn mit den bestehenden Systemen erreichen?
Im Ergebnis neigt die Gruppe dazu, den Weg des geringeren Widerstands zu wählen
Wenn wenig Entschlossenheit FÜR einen Weg besteht, und wenn gleichzeitig an einigen Stellen Widerstand herrscht, dann wird es schwierig werden, eine Entscheidung herbeizuführen, die von den meisten getragen wird.
Das Ergebnis: Die kleine Lösung liegt näher als der große Wurf
Dieser dauert zu lang. Das Projekt ist zu komplex. Es ist unklar, wie man damit Geld verdient. Man braucht zu viele Ressourcen. Die neue Technologie bietet viel mehr Möglichkeiten, als man heute braucht. Warum also Geld dafür ausgeben? Die Probleme von heute werden nicht sofort und unmittelbar gelöst, sondern irgendwann in der Zukunft - vielleicht!
Das Ergebnis: Die Beteiligten wollen irgendwie schon erreichen, dass es besser wird. Aber wirklich machen wollen das zu wenige. Das bedeutet: Läuft das Projekt gut und aufwandsarm, sind alle dabei. Gibt es Schwierigkeiten, bleibt es an wenigen hängen.
Die Folge: Mit einer neuen Systemlandschaft müssten wir Schuhe kaufen, die uns zu groß sind.
Und dabei als Team den Willen entwickeln, sie auch auszufüllen.
Wie kommen wir da hin?
Als IT können Sie einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Indem Sie eine leicht veränderte Sicht auf Ihre Rolle einnehmen.
Ihre neue Rolle: das Zugpferd für digitale Innovation
Was ist daran anders? In den meisten Fällen würde die IT damit beginnen, mit Feature-Checklisten nach Anbietern zu suchen, die ein passendes System implementieren können. Das ist ihre Aufgabe. Sie ist jedoch nur die halbe Miete, denn: die Features kommen ja von den Fachbereichen. Wenn die Auswahl dann zur Entscheidung kommt, und die Entschlossenheit nicht da ist - wie soll es dann zum großen Wurf kommen?
Hätte Henry Ford die Leute gefragt, was sie brauchten, dann hätte er wahrscheinlich schnellere Pferde züchten müssen. Stattdessen hat er mit Hilfe des Fließbands eine ganze Generation von Autofahrern geformt.
Genau die gleiche Aufgabe kommt nun der IT zu: zu inspirieren, und den Fachbereichen dabei zu helfen, mit Technologie neue Möglichkeiten zu erschließen. Für viele ist das eine neue Rolle, denn viel zu lange haben sie sich vor allem als Dienstleister für die Fachbereiche verstanden, der mit den heutigen Mitteln die Herausforderungen von heute zu bewältigen hilft.
Jetzt braucht man Sie als Zugpferd für die digitale Innovation in Ihrem Unternehmen. Als die Instanz, die neue Möglichkeiten für die Herausforderungen von morgen aufzeigt.
Möchten Sie wissen möchten, was das für Sie bedeutet und wie das geht?
Dann lesen Sie weiter im zweiten Teil dieses Artikels.
Verfasser
Seit mehr als 20 Jahren begleite ich mittelgroße Unternehmen bei wichtigen Schritten ihrer Entwicklung: bei Strategie, Wachstum, Innovation, und bei der damit verbundenen Veränderung in der Organisation. Oft ist Software der Schlüssel zur Veränderung. Deshalb ist ein wesentlicher Anteil meiner Umsetzungsprojekte die Auswahl und Einführung von ERP-, CRM-, MES-, APS- und anderen Systemen.
Passend zum Thema
ERP und Systemlandschaft im Mittelstand Teil II
Entschlossenheit als treibende Kraft für digitale Innovation.
ERP und Systemlandschaft im Mittelstand Teil III
ERP-Systeme optimieren die Systemlandschaft im Mittelstand und steigern den Unternehmenserfolg.